Freitag, 26. September 2008

Florians Cordero al Txilindron

Txilindron-III

Um die ständige Sehnsucht nach Spanien ein bisschen in Grenzen zu halten (oder noch zu verschlimmern?) musste, als sich für Mittwochabend Freunde zum Essen angekündigt hatten, ein Cordero al Txilindron auf den Tisch.
Cordero al Txilindron ist ein klassisches navarresisches Lammgericht, das ich in der Zeit, als ich in Spanien gelebt habe, immer gern gegessen habe, vor allem wenn im Herbst die Tage kürzer wurden. So auch an einem Tag in Ujué, einem winzigen Bergdorf in der Nähe von Pamplona, wo ich im Herbst 1994 einige Male bei der Weinlese mitgearbeitet hatte. Den ganzen Tag über hatte ich mir mit der kurzen Sichel ungeschickterweise schmerzhafte Wunden an den Händen beigebracht, bin ich in gebückter Haltung zwischen den Reben herumgestrichen und konnte mich abends kaum noch bewegen. Auf dem Rückweg vom Weinberg, völlig durchgeschwitzt auf dem Traktor sitzend, vom cierzo, dem unbarmherzigen, eisigen Nordwind aus den Pyrenäen völlig gebeutelt, konnte ich es kaum erwarten, nach einem heißen Bad in der Küche zu stehen! Notdürftig nach einer halben Stunde in der Wanne wieder auf Vordermann gebracht, stellte ich mich mit Pedro Sola, dem tollpatschigen Familienoberhaupt und Mitbesitzer des kleinen, soeben abgeernteten Weinbergs und rustikaler Gourmet der vor nichts halt macht, in die Küche und ließ mich von ihm in das Geheimnis des Cordero al txilindron einweihen:
Cordero al txilindron (eigentlich „chilindrón“ oder baskisiert „txilindron“) ist eine Zubereitungsart der aragonesischen und navarresischen Küche, hauptsächlich charakterisiert durch den besonderen Geschmack des Marks von getrockneten und wieder eingeweichten Paprikaschoten.
Die wichtigste Zutat sind Ñoras – kleine dunkelrote Schoten - oder Pimientos choriceros, die eher pikanten Verwandten. Vor ihrer Verwendung werden sie in kaltem Wasser eingeweicht, dann lässt sich das Fruchtfleisch (einigermaßen) leicht herauskratzen. Das dunkle, stumpfe Rot dieser Schoten und das hellere, leuchtende Rot von Pimentón, dem spanischen Paprikapulver, das man in Wurstwaren wie Chorizo, Chistorra und eben in dem Topf, in dem gerade unser Cordero al Chilindrón schmort findet, machen dieses Gericht zu etwas Besonderem.
Pedro wollte mir außerdem ein richtig traditionelles Cordero al txilindron zubereiten, so wie es in seiner Familie schon immer gegessen wurde – mit Schnecken, die hier ein hell-dunkelbraun gestreiftes Haus mit sich herumtragen, das einen Durchmesser von ungefähr zwei Zentimetern hat.
Der Rest ist schnell erzählt: die cazuela (Tonschüssel) auf den Herd gestellt, Olivenöl hinein, nacheinander die Zutaten gewissenhaft angebraten... Mit der Zeit beschlagen die Scheiben in der Küche, Das Feuer knistert im Kamin, der Wind pfeift um das an einem steilen Hang am Rand des mittelalterlich-trutzigen Dorfes gelegene Haus, draußen ist es bereits dunkle Nacht. Der erste Schluck des schweren Rotweins aus der Cooperativa von Ujué schmeckt leicht bitter, nach Erde und Eisen und wärmt uns von innen...

Hier aber unser Rezept, auch zum Nachkochen in einer mittelmäßig ausfestatteten WG-Küche, der Einfachheit halber ohne Schnecken:
 
600 g Fleisch vom Lamm (Schulter, Keule, je nach Geschmack, wir haben es lieber ein bisschen fetter…)
Etwas Mehl
1 Gemüsezwiebel
Olivenöl
Salz
Pimientos choriceros oder ñoras
1 kleine rote Paprikaschote
1 Teelöffel Pimentón (am besten der rauchige Pimentón de la Vera aus der spanischen Region Extremadura, inzwischen wahrscheinlich auch hier erhältlich)
1 Glas Weißwein
1 Tasse Wasser
2 EL hausgemachte Tomatensauce (Tomate casero, ein Produkt, das aus der spanischen Alltagsküche nicht wegzudenken ist, passierte Tomaten, mit etwas Salz und Zucker einmal aufgekocht gehen auch)
3 Knoblauchzehen
Etwas Essig, ca. 1 EL

 

Eine Stunde bevor mit dem Kochen begonnen wird, Ñoras in Wasser einweichen, dann das Mark herauskratzen – ein EL sollte es schon sein – das Einweichwasser durchsieben und aufbewahren.
Das Fleisch in 3 bis 4 cm große Würfel schneiden und mit Mehl bestäuben. Die Paprika im Ofen grillen bis die Haut verkohlt ist und Blasen wirft, anschließend abschrecken (am besten direkt vom Ofen in eine Plastiktüte mit eiskaltem Wasser schaufeln), häuten und in Streifen schneiden.
2 Knoblauchzehen hacken; Olivenöl stark erhitzen, Fleischwürfel rundherum anbraten, beiseite stellen; im Schmortopf noch einmal Olivenöl erhitzen, Zwiebel ca. 5 Minuten darin braten, am Ende den Knoblauch dazu geben, kurz mitbraten, dann die Fleischwürfel samt ausgetretenem Saft dazu, Hitze hochschalten, mit einem Glas Weißwein löschen. Dann 2 EL Tomatensauce und das Einweichwasser zugeben, salzen, das Paprikamark, die in Streifen geschnittene gegrillte Paprika, Salz und Pimentón dazu, zudecken, 40-50 Minuten schmoren, am Ende abdecken und eventuell etwas einkochen. Viel Sauce sollte nicht übrig bleiben, sie sollte sich dickflüssig und fettig um die Fleischstücke legen!
Die übrige Knoblauchzehe mit ca. 1 EL Essig im Mörser mörsern und kurz vor dem Servieren einrühren. Ich mag es am liebsten mit einem Stück Brot, Patatas fritas sind aber auch keine schlechte Alternative.
Dazu trinkt man idealerweise gut gekühlten Clarete, also Roséwein aus Navarra. Der beste Clarete kommt meiner Meinung nach übrigens aus einem Dorf in unmittelbarer Nähe von Ujué: San Martín de Unx, wo das köstliche Getränk für 2 € pro Flasche in einer Autowerkstatt verköstigt und verkauft wird. Bei uns war es an diesem Abend ein Rosado de Lágrima aus dem Hause Ayerra, sortenrein aus Garnacha-Trauben, ein junger, frischer Wein, intensiv leuchtend und erdbeerrot, mit einem intensiven, spritzigen und fruchtigen Aroma - oder eben, je nach Stimmung, ein dunkler, erdiger Rotwein...

Gutes Gelingen und guten Appetit!

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