Dienstag, 7. Oktober 2008

Münchener Grant mal auf vietnamesisch

Um gleich zur Sache zu kommen: Das Ha Noi, ein kleiner Asiate in der Augustenstraße/Ecke Schellingstraße, ist ein Lokal für alle Gelegenheiten. Kommt man von der Technischen Universität hat man nur wenige Schritte bis zum perfekten Mittagsimbiss; ist man fast schon misanthropisch schlecht gelaunt merkt man beim Bestellen schnell, dass man doch nicht der zwiderste Zeitgenosse Münchens ist; sucht man den viel zitierten „Münchener Grant“ merkt man, dass ihn ein Vietnamese erfunden haben muss; und ob man Liebeskummer oder eine Erkältung hat: die scharfen Suppen sind das Allheilmittel schlechthin.

hanoi

Von außen wirkt das Ha Noi mehr als unscheinbar. Ein kleines Schild zwischen einer Bagel-Kette und einer bayerischen Wirtschaft hängt über dem schmalen Eingang nach Fernost.
Drinnen zischt und brodelt und quäkt es, und wenn der Chef mit drei großen Suppentellern, verteilt auf zwei Hände, hinter der Theke hervorschießt, hat man nur die Wahl, sich an die Vitrine zu quetschen oder sich auf den Schoß eines Gastes (der selbst schon direkt an der Wand sitzt) zu retten. Plätze sind in dem schmalen Schlauch nämlich Mangelware – und jetzt, im Herbst, sind sogar die Sitzplätze auf dem Gehsteig voll belegt – wer aber dazu kommt, an der Theke zu bestellen, wird auch ein Plätzchen finden, bis das Essen fertig ist. Schließlich befinden wir uns in einem kleinen Eckimbiss, in dem der Chef am allerwenigsten zum langen Verweilen einlädt. So ist es schon vorgekommen, dass er wegen akuten Gästeüberschusses abkassieren wollten, als wir noch nicht einmal fertig waren – was lediglich mit einem genervten „nnnee, schneller essen!“ kommentiert wurde. So ungastlich sich das jetzt anhören mag, ist es aber gar nicht, ganz im Gegenteil macht doch dieser Habitus des Chefs und die Winzigkeit der Lokalität – nur die Vitrine mit den frischen Zutaten trennt den Gast von der Schnellküche – den ganz besonderen Charme des Ha Noi aus, der uns immer wieder in die Augustenstraße zieht.
Je nach Gast und Laune ist der Chef jedoch ausnehmend nett und wenn man dann ein, zweimal dort war, weiß man auch, wie man ihm Scherze und Lächeln entlockt.

Absolut guten Gewissens können wir alle „Spezialitäten des Hauses“, die die Karte anführt vorbehaltlos empfehlen. Doch obwohl die Zutaten den Gast immer frisch aus der Vitrine anlachen und dazu einladen, bei jedem Besuch ein neues Gericht zu testen, sind wir noch nie über die Standardbestellung hinausgekommen, weil es einfach jedes Mal wieder zu gut schmeckt: einmal # 45, Bun Thap cam, die scharf-saure Suppe mit Reisnudeln, verschiedenen Kräutern und in unserem Fall mit zartgekochtem Schwein (sonst stehen noch Huhn und Rind zur Auswahl).
Im fernen Osten ist so eine Nudelsuppe ja fast schon ein philosophisches Gericht, sie wird verehrt, andächtig verspeist, und das meist allein. Wenn man sieht, wie die Stadtbewohner auf dem Pak Khlong Talad in Bangkok oder auf irgend einem anderen Markt in der thailändischen Hauptstadt oder in Hanoi, Vientiane oder Phnom Penh eine Suppe zum Frühstück essen, bekommt man vielleicht eine Ahnung, welche Bedeutung dieses alltägliche Ritual für die Menschen hat... Einen Ort, an dem man solche Nudelsuppen scharf, sauer und erfrischend und dabei schnell, billig und gut essen kann, sollte, finden wir, ein jeder Stadtbewohner in der Nähe seiner Wohnung haben.

Bei Allen, die es scharf mögen, wird diese Suppe, die schmeckt, wie Erkältungsbäder riechen (und das ist nur positiv gemeint, sind doch der frische Koriander und das Zitronengras an diesem Aroma schuld), unweigerlich zum absoluten Favoriten im Ha Noi avancieren. Das Pils trinkt man am besten vorher und macht nach der Suppe nicht den Fehler, schnell ein Glas Wasser hinunter zu stürzen, denn diese Suppe hat es wirklich in sich. So brauchen selbst hartgesottene Scharf-Esser fast eine halbe Stunde für eine Schüssel Suppe, müssen sich den Schweiß von der Stirn wischen und fluchen mit tränenerstickter Stimme, dass Bun Thap Cam beim nächsten Mal bestimmt nicht wieder extra-scharf bestellet wird.

Bistro Hanoi
Schellingstr. 104
München
Tel: 089 52310269

Wenn man von der Ludwig-Maximilians-Universität bzw. der Ludwigsstr. kommt: Bus58 Richtung Josephsplatz bis zur Haltestelle Augustenstraße nehmen – man steigt dann so gut wie direkt vor dem HaNoi aus.

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flxt - 7. Okt, 18:41

mmhmm... Glutamat!
Aber abgesehen davon sind scharfe Suppen auch bei akutem Kater sehr zu empfehlen.

DieterDurango - 7. Okt, 19:40

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Bitte sofort diesen Beitrag löschen. Lokal ist eh schon oft zu voll^^

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