Dienstag, 4. November 2008

Abkochen in Berlin I (well, the pleasure, the privilege is mine)

Konfitierte-Tomaten

Diese Textzeile aus dem Smiths-Song "There Is A Light That Never Goes Out", den ich mit meinem Freund Bernhard in Berlin am Morgen nach einem großartigen Kochabend gehört habe, kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich mich an diesen kulinarischen Wahnsinnsabend erinnere.
Nach der Entdeckung der Thüringer Rouladen in Ilmenau ließ ich mich auf halbem Weg nach Berlin von einem Freund mit dem Auto aufsammeln, in froher Erwartung des baldigen kulinarischen Hochgenusses, der mir in Berlin sicherlich bevorstehen würde. Ein Besuch bei meinen alten Freunden Sandra und Bernhard in Berlin wäre nämlich nicht komplett, wenn nicht mindestens einmal ein großes Essen für Gäste zubereitet werden würde. Nach einem Motorschaden, einer nicht enden wollenden Fahrt, eingepfercht zu fünft in einem Kleinstwagen, und einem Zwischenhalt bei Burger King rückte dieser Traum in weite Ferne, sollte sich aber schließlich doch noch erfüllen und spätestens beim Aperitiv in Bernis Küche waren alle Strapazen vergessen.
Während statt der Herdplatten zunächst nur die Köpfe rauchten über der gedanklichen Anstrengung, was man denn nun kochen könnte, wurde die Liste der potentiellen und definitiven Gerichte lang und länger. Noch bevor die Menüfolge genau feststand, lagen bereits mehrere Stunden Erfahrungsaustausch über diverse Kulinarika hinter uns – deshalb werden diesem Beitrag noch zwei weitere folgen. Heute gibt es als amuse geule eine der beiden Fischvorspeisen unseres Menüs:

Sardinen mit konfitierten Pastis-Lavendel-Tomaten und Ziegenkäse

Da Bernhard mit dem Gedanken spielt, seinen nächsten Sommerurlaub in Südfrankreich zu verbringen, zählte für die Menüplanung des Berlin-Abends konsequenterweise auch nur das Kochbuch mit Rezepten aus dieser Region; die provenzalische Note war also bereits vorbestimmt.
Nachdem das Menü ohnehin bei einem Aperitiv in der Küche besprochen wurde, lag kaum etwas näher, als die soeben geöffnete Flasche Pastis in die Planung miteinzubeziehen. Dazu noch das Bild blühender Lavendelfelder und die Aromaten für unser Backblech voll süßer Kirschtomaten, die unsere Sardinen begleiten sollten, standen fest: Anis, Lavendel und der konzentrierte Geschmack der Tomaten - pure Alchemie! Frische Sardinen duften nach Jod und Meer, die heringsartigen Knochenfische sollten am besten so um die 15 bis 20 cm lang und schön fett sein. Zusammen mit dem Pastis, ein mit verschiedenen Kräutern aufgesetztes, alkoholhaltiges Getränk mit Anis- und Laktritzessenzen aus der Provence, wird alles zu einem Gericht, das den Sehnsuchtsnerv kitzelt.

Hier die Zutaten für vier Personen:

-500 g gesäuberte und entgrätete Sardinen (die Filets sollten am Rücken zusammenhängen, so dass man sie wie ein Büchlein aufklappen kann; falls das nicht der Fischhändler erledigt, sollte man sich bewusst sein, dass ein bisschen Übung dazu notwendig ist)
-600 g reife Kirschtomaten
-Meersalz
-Pfeffer aus der Mühle
-1 EL Puderzucker
-2 EL Pastis 51 (ersatzweise Ricard oder Pernod)
-1 TL zerstoßene Fenchelsamen
-2 EL gezupfte Lavendelblättchen
-einige Zweige Thymian
-Olivenöl, etwa 4-6 EL
-3-4 Knoblauchzehen
-100-150 g Ziegenkäse (Typ Ziegenrolle, man sollte den Käse leicht zerkrümeln können)

Zuerst die Tomaten häuten und mit der Schnittfläche nach oben auf ein Backblech oder in eine Bratreine legen. Mit Meersalz, Pfeffer aus der Mühle und dem Zucker bestreuen. Die Knoblauchzehen schälen, der Länge nach in feine Scheibchen schneiden und zu den Tomatenhälften geben. Den Lavendel, die Thymianzweige und die zerstoßenen Fenchelsamen über die Tomaten verteilen, mit dem Likör und dem Olivenöl beträufeln.
Bei 80 bis 90°C ca. fünf Stunden im Backofen konfitieren; am Ende sollte den Tomaten die Fruchtflüssigkeit entzogen sein und das süße Fleisch sollte alle Aromaten aufgesogen haben. Anschließend die Sardinen ausnehmen, entgräten und säubern, falls dies nicht der Fischhändler bereits erledigt hat. Mit kaltem Wasser abspülen und sorgfältig trocken tupfen. In einer Pfanne zunächst auf der Hautseite eine Minute anbraten, dann umdrehen, die Pfanne vom Herd ziehen und in ein bis zwei Minuten fertig gar ziehen lassen. Auch hier muss man sehr vorsichtig sein, Sardinen haben eine sehr dünne, empfindliche Haut und nicht umsonst sagen viele italienische und spanische Köche, dass man die Sardinen undedingt vor dem Braten in Brotkrümeln wälzen oder zumindest mit Mehl bestäuben sollte. Zusammen mit einem Häufchen Tomaten auf einem Teller anrichten und etwas Ziegenkäse darüberbröseln, eventuell das Ganze mit einem Schuß Olivenöl beträufeln.
Ein Stück Weißbrot, ein Gläschen Wein und in ein paar Minuten ist der provenzalische Zauber leider auch schon wieder vorbei.

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